Speicher­kraftwerke: High End-Technik im Gebirge

Bild: ÖBB/Sailerbrothers

Kremsmüller Experten­gespräch Teil 1: Bewährte Technologie für die Energie­wende

Die Umsetzung von Großprojekten wie Speicherkraftwerke wird sowohl vom ökologischen Fußabdruck als auch vom Break-Even bestimmt. Fakt ist: Speicherkraftwerke sind Paradebeispiele für Nachhaltigkeit.

Wieder im Fokus

Andreas Hammer, von der Tiroler Wasserkraft AG, ortet gleich zu Beginn des Expertengesprächs, dass Speicherkraftwerke im Vergleich zu den vergangenen Jahren wieder verstärkt in den Fokus der Energiewirtschaft gelangen.

Zu wenig Lobbying für Wasserkraft?

Dazu ergänzt Univ.-Prof. Peter Meusburger, von der TU Graz, dass „für die Wasserkraft zu wenig politische Lobby vorhanden ist, obwohl es Bestrebungen auf europäischer Ebene gibt, die Wasserkraft in die politische Diskussion zu heben“. Meusburger prognostiziert für die propagierte Energiewende „einen Erzeugungsmix aus Photovoltaik, Wind und unumgänglich für großtechnische Speicher der Wasserkraft“. Speicherkraftwerke ermöglichen vor allem den kurzzeitigen und mittelfristigen Ausgleich von Strommangel. Meusburger legt zudem klar, dass keine großtechnische Lösung ähnliches leistet wie Speicherkraftwerke hinsichtlich speicherbarer Energiemenge und Wirkungsgrad. Unbestritten für den Experten ist, dass im gesamteuropäischen Kontext der Stellenwert der Wasserkraft mit einem Anteil an der Stromerzeugung von 10 bis 15 Prozent aber sehr niedrig ist. „Bei den großen europäischen Volkswirtschaften liegt damit die Wasserkraft sehr weit hinter der fossilen Energieerzeugung und hinter der Nukleartechnik. Dies werde sich auch nicht ändern, selbst wenn alle vorhandenen Speicherkraftwerksprojekte gebaut bzw. ausgebaut werden“, prognostiziert Meusburger.

Läuft und läuft und läuft …

Neben der schnell verfügbaren Energieerzeugung durch Speicherkraftwerke ist für Experten deren Langlebigkeit ein klares Asset. „Schon in der Vergangenheit wurden beispielsweise die Druckrohrschächte für 70 Jahre dimensioniert, derzeit wird in einem Zeitraum von 100 Jahren geplant“, erklärt der Kenner der Szene, Rainer Maldet, ehemals Tiroler Wasserkraft AG. „Aus diesem Grund müssen natürlich auch die Betriebsfestigkeit der Werkstoffe und Schweißnähte steigen, da das System wegen ständiger Belastungsänderungen und möglicher geologischer Veränderungen wesentlich komplexer wird.“

Speicherkraftwerke und Bahnstrom

Für Markus Wippersberger, Abteilungs- und Projektleiter der ÖBB, sind Speicherkraftwerke die einzige Möglichkeit, um große Strommengen bedarfsgerecht im Bahnstromnetz zur Verfügung zu stellen. Bei der ÖBB dienen Speicherkraftwerke als wesentliche Leistungsreserven zum Regeln der Verbrauchsspitzen. Wasser wird dann abgeleitet, wenn die Züge es brauchen. „Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dies eine sehr gute Sache, da so die ÖBB für die österreichische Infrastruktur eine unabhängige Energiequelle zur Verfügung stellt.“

Nachhaltigkeit als Prinzip

Den Anspruch einer langen Betriebsdauer erklärt Wippersberger damit, dass beim Infrastrukturbetreiber ÖBB die Lebensdauer und nachhaltige Planung ein wesentlicher Punkt in der wirtschaftlichen Betriebsführung sind. Bereits im Planungsprozess des Kraftwerks werden daher zukünftige Belastungen vorweggenommen und entsprechende Reserven eingebaut. Daraus entstehe dann die Auslegungsdauer von 80 bis 100 Jahren. „Bei entsprechender Modernisierung, guter Pflege und Überwachung ist diese auch erreichbar.“ Wippersberger führt als Beispiel für Langlebigkeit das Kraftwerk Spullersee an, „das 1925 fertig gestellt und dessen Umbau heuer finalisiert wurde. Dabei wurden das Stollenrohr, das ursprünglich auch aus Stahl gefertigt worden ist, und die Steilrohrleitung erneuert.“  

Konzession für Wasserrecht bestimmt Nutzungsdauer

TIWAG Experte Hammer, bringt bei der Frage nach der Nutzungsdauer von Speicherkraftwerken auch das Wasserrecht vor: „Durch laufendes Nach- und Umrüsten rentiert es sich immer, ein Wasserkraftwerk zu bauen. Andererseits muss aber beachtet werden, dass nach 70 bis 90 Jahren die Konzession des Wasserrechts verfällt und der Betreiber um deren Wiederverleihung ansuchen muss.“ Im Zuge des Wiederverleihungsverfahrens schreiben die Behörden vor, den Stand der Technik nachzuweisen. „Bei alten Rohrleitungen ist das aber oft schwer zu belegen“, erklärt Hammer.

Die Frage nach dem Wann

Für Meusburger gibt es keine einfache Formel, wann der Return of Investment oder der Break-Even bei Speicherkraftwerken festzulegen ist: „Das hängt von der Vermarktung und der Leistung vom Maschinensatz ab. Aus der Entscheider-Ebene vernimmt man zudem oft, dass eine Hochdruckanlage auch als Infrastrukturmaßnahme gesehen werden muss. Dies bedeutet, dass der Nutzen ganz sicher kommen wird, dass aber unter Umständen nicht genau absehbar ist, wann.“ In diesem Punkt könne keine Zahl genannt werden und letztlich erhält man von jedem Betreiber eine andere Einschätzung. „Einer der Unsicherheitsfaktoren ist, dass die Energiemarktpreise im letzten Jahr eine Bandbreite von 25 Euro bis 75 Euro pro Megawattstunde hatten – dies entspricht einem Faktor drei“, sagt Meusburger. „In Österreich und in Mitteleuropa werde die Machbarkeit von Speicherkraftwerken von der Genehmigung in einem Umweltverträglichkeitsverfahren bestimmt.“ Hier merkt Meusburger an, dass die Umweltverträglichkeitsverfahren eher von der Ökologie als von der Technik bestimmt sind.

Zu Teil 2

Kremsmüller Expertengespräch Teil 2: Anforderungen bei Werkstoffen und Technik für Druckrohrleitungen